Wenn eine Tradition zu einem Oster-Event wird.
Artikel im Bund, Ostern 2013
Rahel Bucher
Morgen kommt der Osterhase – ganz heimlich. Er versteckt Eier und in Scho- kolade gegossene Artgenossen. Ist der Schoggihase im Haushalt Oppliger gebo- ren, hat er eine Seele. Man sieht das an seinem Glanz. Doch zu diesem kommt er nur, wenn mit der Schokolade liebevoll gearbeitet wird. Und bei den Schoggi- hasen lassen auch die Augen tief blicken. «Es ist vor allem wichtig, dass die Augen schön sind, das gibt dem Hasen den rich- tigen Ausdruck», sagt Hanna Oppliger.
Rund 1000 Osterhasen aus Schokolade wurden im letzten Monat bei Hanna und German Oppliger in Meinisberg geboren. Die «Geburt» jedes einzelnen ist ein Gross- ereignis, das zelebriert wird. Es wird ge- klatscht, und farbige Laserpunkte tanzen über den Boden, wenn die Form von der Schokolade gezogen worden ist und ein fertiger Schoggihase dasteht. Das Oster- hasen-Giessen hat sich bei Oppligers über die Jahre zu einem Event entwickelt. So wa- ren es in diesem Jahr 17 Abende, an denen sie die verschiedensten Menschen eingela- den haben, um diese bei farbiger Beleuch- tung und Wurst und Käse in die Tradition des Osterhasen-Giessens einzuführen. «Wir wollen unseren Gästen ein Geschenk ma- chen», sagt German Oppliger. Die Reaktio- nen würden ihnen immer wieder zeigen, wie viel Freude so ein Abend, an dem man nicht nur zusammen isst, sondern etwas zusammen erlebt, bereite.
Für Hanna Oppliger gehört das Oster- hasen-Giessen zum Leben. «Ich bin damit aufgewachsen», sagt die Bäckerstochter. jahrein, jahraus hat sie in der Bäckerei ge- holfen – vor allem auch an Weihnachten oder Ostern. «Diese intensiven Zeiten ha-
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ben mich geprägt», sagt sie. Es habe im ganzen Haus anders gerochen, und von morgens früh bis abends spät habe sich das ganze Leben rund um die Backstube abgespielt. Nachdem die Bäckerei 1993 geschlossen worden war, führte ihr Vater die Tradition des Osterhasen-Giessens in der Familie weiter. Seit 2008 haben dann Hanna und German Oppliger die Tradi- tion in ihr Haus verlagert und mit den Events «eine Vision» umgesetzt, wie sie sagen. So bringen sie Menschen zusam- men und lassen sich stets von neuem überraschen, was für eine Gruppendyna- mik entsteht. Sie haben schon viel erlebt – von der ganz lauten Gruppe, die sich hektisch ins Abenteuer des Hasen-Gies- sens stürzte, bis zu Gruppen, die sich dem Handwerk fast meditierend hingaben.
Osterhasen spiegeln Zeitgeist
Am Handwerk des Giessens habe sich über die Jahrzehnte hinweg nichts ver- ändert, sagt Hanna Oppliger. Einzig die Maschinen, Produkte und Formen seien optimiert worden. So waren die Formen früher aus Blech, jetzt sind sie aus Plexi- glas. Zudem haben sich die Motive geän- dert. «Der Zeitgeist prägt auch die For- men», sagt sie. Waren es früher eher Sujets wie der Osterhase im Traktor oder im Rennauto, würden die Hasen heute oft fast zu Comicfiguren. Die Schokolade da- gegen ist noch dieselbe wie jene, die ihr Vater schon verwendet hatte. 140 Kilo- gramm haben sie dieses Jahr verarbeitet.
Von allen Regalen und Tischen schauen die frischgeborenen Schoggi- hasen einen an. Einige lächeln charmant, andere schauen verschmitzt, als wollten sie sagen: «Beiss mich an.» Doch bei aller Liebe zu ihren Schoggihasen, Oppligers freuen sich, wenn es in ihren vier Wän- den demnächst nicht mehr nach Schoko- lade riecht. «Nun habe ich Lust auf Bär- lauch-Spaghetti», sagt Hanna Oppliger.